Meinem letzten Fahrradkauf ging eine lange, nervenaufreibende Suche voraus -für mein Umfeld und mich. Ich war lange Zeit glücklich mit meinen zwei Hardtails und bin auch viele Trails mit ihnen gefahren. Jedoch gerade für lange schwere Abfahrten in Urlauben oder für Ausflüge in Bikeparks hat mir auf Dauer ein vollgefedertes Fahrrad gefehlt.
Meine Ansprüche und erste Suche
Da unser Fahrradkeller eh schon völlig überfüllt war, war es meine ursprüngliche Idee, mein 10 kg schweres 29-Zoll-Hardtail durch ein ebenso leichtes 29-Zoll-Racefully zu ersetzen. Schnell merkte ich, dass es gar nicht so leicht ist, da etwas Passendes zu finden. Die meisten Hersteller bieten für kleine Rahmengrößen oft nur 27,5-Zoll-Reifen an. Bei wenigen Herstellern werden auch kleine Rahmen mit großen Rädern angeboten. Jedoch bin ich nicht nur mit einer eh schon kleinen Körpergröße von 1,55 m gesegnet, sondern zudem auch noch mit verhältnismäßig kurzen Beinen. Das führt dazu, dass ich beim Absteigen vom Fahrrad mit dem Schritt direkt auf dem Oberrohr aufsitze, wenn die Überstandhöhe (= die Höhe vom Oberrohr zum Boden) zu gering ist. Gerade in schwierigen Trailpassagen gibt mir das kein sicheres Gefühl, wenn ich weiß, ich kann nicht schmerzfrei spontan absteigen. Wenn ich in Größenrechnern von manchen Fahrradmarken meine Körpergröße und meine Innenbeinlänge von 69 cm eingegeben habe, dann kam oft die Meldung „Hier scheint etwas nicht zu stimmen.“ oder „Leider haben wir kein passendes Fahrrad für dich.“
Das waren die ersten ernüchternden Erfahrungen für mich. Ich war jedoch nach wie vor der Meinung, dass es doch ein passendes Fahrrad für mich geben muss. Da ein leichtes vollgefedertes Fahrrad auch nicht billig ist, wollte ich zunächst nicht von meinen Ansprüchen abkommen.
Fahrradläden und Gespräche mit Verkäufern
Während meiner Suche war ich in verschiedenen Fahrradläden. Mein erster Besuch war besonders enttäuschend. Ich wurde regelrecht ausgelacht, ein Fully mit 29-Zoll-Rädern für mich zu suchen. Nachdem mich der erste Mitarbeiter kopfschüttelnd an den nächsten Mitarbeiter weitergereicht hat, habe ich mein Anliegen ein weiteres Mal vorgetragen. Ich meinte auch, dass doch kleine Sportlerinnen wie Sina Frei auch ein passendes Fahrrad hätten und auch mit 29-Zoll-Rädern fahren. Dieser Mitarbeiter nahm sich dann etwas mehr Zeit für mich und analysierte anhand von Bildern mit mir die Fahrräder von Sina Frei. Das Ergebnis dieses Fahrradverkäufers war es, dass sie wohl tendenziell auf zu großen Fahrrädern sitze, was viele Profis anscheinend machen, um windschnittiger zu sein.
Mein zweiter Besuch war bei Fahrrad XXL – definitiv kein kleiner Laden. Hier gab es in dem ganzen Geschäft kein einziges passendes Fully für mich.
Der Verkäufer, welcher selbst eher klein war, gab mir den Tipp eher bei Marken wie Trek zu schauen, die generell kleinere Geometrien haben, als z. B. bei Orbea. Dieser kleine Tipp war wertvoll.
Modelle finden auf bike-stats
Parallel schaute hauptsächlich mein Freund immer weiter online nach Fahrrädern. Besonders hilfreich war dabei am Anfang die Seite https://www.bike-stats.de/. Auf dieser Seite kann man bestimmte Geometriemaße eingeben und bekommt alle Modelle, die diesen Kriterien entsprechen. Durch diese Seite bin ich dann zum Beispiel auf die Marke Pivot aufmerksam geworden, die ein Modell mit geringer Überstandhöhe, aber dennoch 29-Zoll-Rädern im Sortiment hat. Jedoch lag dieses Fahrrad zunächst außerhalb von meinem Preisbudget und es ist bei so kleineren Marken generell mit mehr Aufwand oder einer längeren Anfahrt verbunden, wenn man ein Fahrrad Probe fahren möchte, wie wenn es z. B. eine Marke wie Cube ist, die man gefühlt in jedem zweiten Fahrradladen kaufen kann.
Messebesuch
Ich setzte große Hoffnung auch meinen Besuch auf der Eurobike. Die Eurobike war einerseits enttäuschend, andererseits aber auch trotzdem Erkenntnis bringend. Schade fand ich, dass einige Marken gar keine Räder zum Probefahren hatten und andere kein S oder XS mit dabei hatten. Auch sind mir, trotz Gesprächen mit dem Standpersonal, teilweise für mich wichtige Informationen, nicht gegeben worden. Beispielsweise, dass es von dem beliebten Scott Spark auch eine kleiner ausfallende Frauenversion gibt – das Scott Spark Contessa.
Positiv war, dass ich auf weitere interessante Fahrradmarken, wie z. B. Corratec, aufmerksam wurde, die durch ihren Knick im Oberrohr eine für mich interessante Fahrradgeometrie im Angebot haben.
Außerdem hatte ich die Möglichkeit am Stand von Liv, der Marke, die sich eigentlich auf Fahrräder speziell für Frauen spezialisiert hat, die Rückmeldung zu geben, dass Frauen tendenziell kleiner sind und in dem Bereich noch eine Lücke in ihrem Sortiment ist. Mein Highlight war allerdings ein Besuch am Stand von Niner, die ein 29er Racefully hatten, bei dem ich selbst in Größe M noch mehrere Zentimeter Luft über dem Oberrohr hatte. Mir ist bis heute nicht ganz klar, was genau der konstruktive Unterschied zu allen anderen Fahrradmarken war. Liv hat mir beispielsweise die mir die Rückmeldung gegeben, dass es konstruktiv einfach unmöglich sei 29 Zoll Räder mit kleinem Überstand zu kombinieren. Leider hat Niner momentan in Deutschland keinen Vertriebspartner, wodurch der Fahrradtraum für mich zunächst wieder geplatzt ist.
Kinderfahrräder
Lisa hatte mir irgendwann mal die Idee mitgegeben, bei Kinder- und Jugendfahrrädern zu schauen. Dieser Weg stellte sich jedoch recht schnell als Sackgasse heraus, da an Kinderfahrrädern meist relativ minderwertige Komponenten verbaut sind und es meist nur ein Modell bei jeder Marke gibt.
Das größte Ausschlusskriterium bei Kinderbikes war jedoch meistens das zugelassene Fahrergewicht, das oft auf etwa 50 kg beschränkt ist.
Außerdem sind Kinderräder immer mit 27,5 Zoll-Räder ausgestattet. Von meinem Anspruch unbedingt 29 Zoll Räder fahren zu müssen, hatte ich mich allmählich jedoch eh schon verabschiedet. Mittlerweile war ich eher auf der Suche nach einem zusätzlichen Fully, ohne mein leichtes Hardtail mit ihm ersetzen zu wollen.
Fahrradverleih im Bikepark
Wir hatten ein verlängertes Wochenende im Bikepark in Sölden geplant. Da ich immer noch kein Fully hatte, war es mein Plan, vor Ort eines auszuleihen. Ich hatte jedoch sehr große Bedenken nach meinen bisherigen Erfahrungen in Fahrradläden kein passendes Bike zur Verfügung gestellt zu bekommen. Darum hatte ich sogar als Backup mein altes Hardtail im Kofferraum mit dabei. Ich hatte jedoch Glück und der Verleih hatte ein Trek Fuel Ex in der Größe XS da. Es hat von der Überstandhöhe gerade so gepasst. Auf dem Trail habe ich jedoch gemerkt, dass ich mich super wohl auf diesem relativ kurzen Fahrrad fühle. Außerdem habe ich gemerkt, dass mir 100 mm Federweg, wie er meist auf Racefullys vorhanden ist, nicht ausreichen würde. Das hat mich weiterhin bestätigt, dass ich eher ein zusätzliches Fully, wie einen Ersatz für mein leichtes Touren-Hardtail benötige.
Ich war total verliebt in dieses Fahrrad und habe nicht lange überlegt, nachdem ich erfahren habe, dass es die Möglichkeit gibt, dieses Fahrrad direkt dem Verleih abzukaufen. Endlich ein Fully, das passt und das ich sogar zwei Tage lang im Bikepark intensiv getestet habe.
Neben den Bikerverleihern in Bikeparks gibt es auch die Möglichkeit auf Bikefestivals in Leogang oder am Gardasee Fahrräder direkt auf dem Trail Probefahren.
Geheimtipp „Kurzer Sattel“
Ein sehr hilfreicher Tipp kam noch von meiner Bekannten Kerstin Kögler, die mir geraten hat einen Sattel mit kurzer Sattelnase, wie dem Frauensattel von Specialized, zu benutzen. Das hat den Vorteil, dass man beim Absteigen mit dem Rücken nicht so schnell am Sattel anstößt und weiter hinten steht. Dadurch steht man dort, wo das Oberrohr durch seine Schräge tiefer ist und gewinnt nochmals ein paar Zentimeter. Mit diesem Tipp wären mir wahrscheinlich sogar noch mehr Fahrräder als mein neues Trek offen gestanden.
Mir ist bewusst, es gibt nicht nur kleine Frauen, aber vielleicht kann ich mit diesem Artikel auch nur einer kleinen Frau mit den gleichen Problemen wie mir helfen, dann hat es sich schon gelohnt, diesen Artikel zu schreiben.
Grüße, Johanna